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Gedanken zu Aikido...

Aikido - eine gewaltfreie Kampfkunst?

Anfangs war ich der Auffassung, mit "friedliebender Kampfkunst" sei die Tatsache gemeint, dass selbst im ernsten Kampf ein Aikidoka stets angehalten ist, dem Gegner möglichst wenig Schaden zuzufügen. Inzwischen wurde ich davon abgebracht, dies zu glauben. Aikido ist nicht umsonst eine Kampfkunst und ihre Techniken sind auch dazu da, einem ernsthaften Angreifer ernsthaften Schaden beizubringen (Stichwort "Angemessenheit der Mittel"). Vor allem bei einem Aikidoka unter - sagen wir mal - dem 5.dan kann man nicht verlangen, dass er in einem Kampf auf seinen Gegner achtgibt. In einer ernsthaften Situation ist dies schlicht unmöglich.

Vielmehr bin ich inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass wahres Aikido lange vor einem physischen Aufeinandertreffen stattzufinden hat. Wahres Aikido hat für mich damit zu tun, einen potentiell aggressiven Menschen gar nicht erst soweit kommen zu lassen, dass er körperlich gewalttätig wird. Das im Aikido hochgehaltene Ideal des "Verschmelzens und Umleitens" hat bereits in einer Konversation (sei sie nun verbal oder z.B. körpersprachlich) mit einem aggressiven Menschen stattzufinden und zwar in einer solchen Weise, dass er von seiner aggressiven Einstellung Abstand nimmt.

Dies zu vermitteln sollte meiner Meinung nach Gegenstand einer jeden Budo-Kunst sein. (weiterführend möchte ich auf meine Meinung zum Thema Kampfkunst vs. Kampfsport weiter unten verweisen)

Wie ein Samurai, der einmal sein Schwert gezogen, dieses auch totbringend anzuwenden sucht, sollte ein Aikidoka nur dann einen Kampf eingehen, wenn dieser absolut nicht zu vermeiden ist. Dann jedoch sollte ein Kampfkünstler mit vollem Herzen und klarem Verstand kämpfen, denn dann (wenn ein Kampf unvermeidbar ist) kann es nur ein Kampf um Leben oder Tod sein. Natürlich wird ein Aikidoka darauf bedacht sein, den Gegner eben nicht zu töten sondern nur kampfunfähig zu machen. Aber in einem wahren Kampf kann man sich nicht darauf verlassen, dass der Gegner auch nur ähnlich denkt. Und so hat man dann auch zu kämpfen. Anderes Verhalten ist meiner Meinung nach illusorisch.

Über solches Verhalten sollte man sich vielleicht schon im Training im klaren sein. Nur so kann man den rechten Geist eintwickeln. "Gelassene Ernsthaftigkeit" ist dafür, denke ich, eine wichtige Methode.

Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Kampfkunst und Kampfsport?

Ich habe den Unterschied dahingehend verstanden, dass in einer Kampfsportart viel grösseres Augenmerk auf die Effektivität einer Technik gelegt wird, als vielleicht in einer Kampfkunst. Ich möchte sagen, ein Kampfsport dient primär zum Überwinden eines äusseren Gegners, wohingegen eine Kampfkunst den Gegner, der in einem drinnen steckt, zu überwinden hilft. Daher müssen die Techniken einer Kampfkunst auch gar nicht unbedingt besonders effektiv sein. (Schön natürlich, wenn es so ist.) Im Grunde sollen solche Techniken aber nur (sich) verstehen helfen und nicht Schablonen sein, an die man sich unbedingt zu halten hat. Irgendwann, wenn man sehr weit vortgeschritten ist, die Prinzipien einer Kampfkunst verstanden und verinnerlicht hat, dann kann man anfangen, früher erlernte Techniken so umzumodeln, dass sie der gegenwärtigen Situation exakt entsprechen, so dass sie dann höchst effizient werden.

Ein offensichtlicher Unterschied zwischen den Kampfkünsten und den Kampfsportarten ist die fehlende Wettkampforientiertheit der ersteren. Das fast sklavische Anhängen an Erfolgen im Wettkampf bedingt bei Kampfsportarten die Reduktion der Techniken auf die, die gut und effizient anzuwenden sind. Das ist klar, denn wozu Zeit verschwenden mit dem Üben von Techniken, die einem im Wettkampf nie etwas bringen werden. Durch diese bei Wettkampfsportlern bestimmt vorherrschende Einstellung erfolgt eine Verkümmerung der vielleicht ehemaligen Kampfkunst zu einem Sport.

Kampfsportarten sind sehr attraktiv, können also Mitglieder leichter werben und halten, da Fortschritt im technischen Können auch schnell bei Wettkämpfen sichtbar wird. Auch Gürtelfarben sind ein leicht zu erfassendes Zeichen der Reife eines Kampfkunst/sportlers.

Ausserdem folgt ein Wettkampf gewissen Regeln, wohingegen im echten Leben höchstens moralische Richtlinien existieren, die meist jedoch missachtet werden. Will sagen, eine Wettkampfsituation ist sehr irreal. Dadurch, dass eine Kampfkunst genereller ist, bereitet sie wohl auch besser auf etwaige Notsituationen vor.

Kampfkunst wird japanisch mit Bu-do (do = Weg) bezeichnet, Kampfsport mit Bu-jutsu (jutsu = Technik).

Weiteres

Ein anderer interessanter Text zum Budo-Aspekt in Kampfsportarten findet sich auf allkhatraz.

The difference between training and reality (and between a competitive sport and a martial way) is well illustrated by the aikidoka who responded to a challenge from a judo man by showing up with a live sword tucked in his belt.

The Case of the Reluctant Uke

Gürtelfarben im Aikido

Es gibt einige Kampfkünste/sportarten, die auf farbige Gürtel verzichten. En Argument dafür besteht darin, dass es sich bei einem Gürtel nur um ein äusseres Zeichen handelt und oft gar nicht die wahre Reife eines "Kämpfers" wiederspiegelt. Wie bei einem Wettkampf kann eine Gürtelprüfung auch dazu führen, dass man sich auf bestimmte, benötigte Techniken reduzieren lässt, damit man diese gut beherrscht, dabei jedoch das Ganze der Techniken aus den Augen verliert. Auch fördert die Verleihung von farbigen Gürteln einen gewissen Wettkampfgeist, der, wie oben beschrieben, nicht gerade förderlich für den wahren Budo-Geist sein muss. Diese Bedenken haben alle ihre Berechtigung.

Dennoch gibt es auch im Aikido (in vielen Stilen) farbige Gürtel. Mir scheint jedoch viel wichtiger als die Farbe des Gürtels, den man bei Bestehen eines Tests erhält, der Test selbst zu sein. Im Vorfeld eines Tests wird oft verstärkt trainiert (wenn auch, wie oben beschrieben, wahrscheinlich ein Hauptaugenmerk auf die benötigten Techniken gelegt wird). Eigentlich sollte man ja für einen Test bestehendes Können aufpolieren und nicht neues Wissen angehäuft werden müssen. Es ist wohl eine Phase verstärkter Beschäftigung mit den Techniken und evtl. mit den Ideen, die dahinter stecken, sehr zuträglich. Oft ist es so, wenn man sich lange Zeit intensivst mit etwas beschäftigt hat, dass sich dann nach einer Art "Trigger-Ereignis" eine vertiefte Einsicht in dieses Etwas einstellt. So ist es Einstein auf der Toilette ergangen und bei einem Aikidoka in oder nach einem Test kann es wohl auch so sein.

Auch die Atmosphäre, die während eines Tests herrscht, die Anspannung, der Druck, der auf einem evtl. lastet, machen es möglich für sich selbst auszutesten, wie man eben in solcher einer Situation "funktioniert". Das kann ein sehr aufschlussreiches Erlebnis sein. Für einen Betrachter kann eine solche Stresssituation für den Ausführenden also sehr aufschlussreich sein. Der Budo-Geist wird in einem Test gut sichtbar.

Auch zollt man durch die Teilnahme an einem Test seinen Mitkämpfern und Lehrern Respekt, indem man zeigt (beweist), wie weit man in seinen Bemühungen gekommen ist, dass das Zusammen-Üben mit ihnen Frucht getragen hat, und dass man zu seinem Voranschreiten steht. Es wäre fast ungerecht obwohl das Können vorhanden ist, einen Test nicht zu machen, da sonst die Kämpfer mit derselben Gürtelfarbe oder dem selben Grat dann nach diesem besseren gerichtet würden und daher schlechter dastünden als sie es tatsächlich tun (eigentlich spricht dies nicht für Graduierungen). Deshalb sollte man einen Gürteltest machen sobald man firm genug dafür ist, die nächste Stufe zu erklimmen.

Exkurs

Obi

Gürtelbinden, aber richtig!

Auf dieser Seite findet man auch noch ein paar weiterführende Links zum Thema Obibinden und Aberglaube.

Ein weiterer Aspekt, vielleicht der wichtigste, ist, dass die kleinen Schritte hin zur Perfektion, die ein Test und die dadurch erhaltene Gürtelfarbe sichtbar macht, viele Ausübende dabei bleiben lässt. Sonst würde dieser Weg für viele eine einzige Durststrecke, ohne offensichtliche Verbersserung sein.

Bleibt wohl zu sagen, dass eine Gürtelfarbe wohl für den Träger selbst wichtig ist, dass sie ihn dazu ermuntert weiter zu machen. Man darf jedoch nicht aufgrund seiner Gürtelfarbe arrogant, überheblich oder nachlässig werden. Auch sollte ein Test doch erst dann gemacht werden, wenn man sich reif dazu fühlt, und man sich nicht auf die Nachsichtigkeit des Prüfers verlassen muss. Nur so kann man einen Gürtel mit Stolz tragen.

Man sieht, es gibt Für und Wider. Letztendlich hängt es vom rechten Geist ab und die Farbe eines Gürtels sollte dabei keine Rolle spielen.

The Ki that comes through in your life and practice is what will trully be evaluated, not a piece of paper.

Ich würde es jedoch willkommen heissen, wenn Höherstufungen (auch) während eines normalen Trainingsstunde stattfänden. Der Lehrer hat dann schon einige Zeit die Bemühungen, die Haltung und das Verhalten eines Schüler beobachtet und belohnt ihn dafür. Das würde vielleicht auch dazu führen, dass während einer jeden Übungsstunde mit grösserer Konzentration trainiert würde.

Übrigens hat auch Ueshiba während ganz normalen Trainigsstunden Höherstufungen vorgenommen.

Zählen und Achtsamkeit, Präsenz

Im Yoshinkan-Stil (ich weiss nicht, ob in anderen Stilen auch), werden Teile von Techniken, speziell in den Grundübungen gezählt. Z.B. macht man bei "ichi" die Technik nach vorne, bei "ni" die Technik zurück. Bei der Rückenfallschule wird auch die Anzahl der Wiederholungen gezählt.

Eigentlich wäre es sinnvoller "angezählt" zu verwenden, den Sinn des Zählens ist wohl nicht nur alle Leute auf der Matte in ihren Bewegungen zu synchronisieren, sondern auch oder besser viel mehr ist der Sinn des Anzählens, dass der Übende lernt auf etwas zu reagieren und nicht blos mechanisch Wiederholungen herunterzuspulen. Als Kampfkunst will Aikido auf die Tatsächlichkeit vorbereiten. Dort gibt es keinen Rhythmus, an den man sich halten kann. Eher wird der Gegner versuchen diesen zu brechen. Es ist also wichtig blitzschnell reagieren zu können, nicht blos quasi hypnotisch Bewegungsabläufe durchzugehen. Dafür ist das Zählen auch da. Daran sollte man beim Üben denken und nicht dem Sensei "vorauseilen".